Die Naturlandstiftung Saar wurde am 06. November 2021 45 Jahre alt. Zur Feier dieses Jubiläums laden wir herzlich ein, die Vielfältigkeit der Naturlandstiftung auf zahlreichen Exkursionen und Touren hautnah zu erleben und zu sehen, was in 45 Jahren Arbeit alles erreicht wurde.
Rund um das Thema Beweidung drehte sich alles am Start der Tour beim Beweidungsprojekt im Rohrbachtal, einer einzigartigen Kooperation der Naturlandstiftung Saar mit dem NABU St. Ingbert e.V., der Mittelstadt St. Ingbert sowie dem Landwirt Torsten Becker.
Zu diesem Termin mit dem Vorsitzenden der Naturlandstiftung Saar Umweltminister Reinhold Jost, dem Oberbürgermeister Dr. Ulli Meyer und dem Kurator Roland Krämer folgten zahlreiche Gäste der Einladung an den Wombacher Weiher. Sie erfuhren mehr über die erfolgreiche Bilanz der tierischen Landschaftspfleger, der Schottischen Hochlandrinder, die dort ganzjährig im Naturschutzgebiet weiden. Sie halten die invasiven Arten und die Verbuschung in Schach, die ohne die Beweidung das gesamte Gebiet überwuchern und der heimischen Artenvielfalt keine Chance lassen würden.
Drei Jahre bleiben die Rinder im Rohrbachtal, bevor sie geschlachtet werden. Das Fleisch vermarktet Torsten Becker direkt auf den Wochenmärkten der Region. Von der guten Qualität der Wurst aus den Rindern konnten sich die Gäste im Anschluss an die Veranstaltung gleich selbst überzeugen.
Seit 2016 gibt es das Beweidungsprojekt im Rohrbachtal im Naturschutzgebiet „Im Glashüttental/Rohrbachtal“. Entstanden ist es auf Initiative des NABU St Ingbert e.V. in Kooperation mit der Mittelstadt St. Ingbert, der Naturlandstiftung Saar sowie dem Landwirt Edgar Sander.
Zuvor waren jahrelange Bestrebungen von privater, kommunaler und behördlicher Seite, durch eine extensive Ganzjahresbeweidung mit robusten Weidetieren auf einer Teilfläche des Naturschutzgebietes der zunehmenden Verbuschung und damit dem Verschwinden wertvoller Pflanzen- und Tierarten entgegenzuwirken, gescheitert. Invasive Pflanzen wie Kanadische Goldrute, Japanischer Rohrknöterich oder Späte Traubenkirsche breiteten sich aus und drängten die wertgebenden Arten der wertvollen Wiesentypen wie Pfeifengraswiesen und Borstgrasrasen zurück.
Ziel der Beweidung war es, den ursprünglichen Naturschutzzweck, also den Schutz der wertvollen Offenlandbiotope an Feucht- und Nasswiesen, Schilfröhrichten sowie die Vielfalt der wertvollen Pflanzen- und Tierarten nachhaltig zu sichern.
Die Kooperationspartner haben hier rund 20 ha für eine großflächige Ganzjahresbeweidung mit robusten Weidetieren hergerichtet. Jeder Partner hat dazu seinen Beitrag geleistet:
Bereits nach drei Jahren zeigte sich, dass die „tierischen Landschaftspfleger“ ihrer Aufgabe in vollem Umfang gerecht werden. Sie gestalten die Landschaft hier so, wie es die wilden Huftiere in früheren Zeiten in der Naturlandschaft praktizierten. Sie halten die invasiven Arten und die Verbuschung in Schach, die ohne die Beweidung das gesamte Gebiet überwuchern und der heimischen Artenvielfalt keine Chance lassen würden. Die Verfilzung der Grasnarbe wurde sichtbar reduziert, und die Bestände der FFH-Lebensraumtypen (Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der Europäischen Union) wie Borstgrasrasen und Pfeifengraswiesen haben sich verbessert.
Vorbehalte bei Anwohnern, Hundehaltern, Joggern, Fahrradfahrern und Spaziergängern im Vorfeld waren schnell ausgeräumt: Die Menschen haben sich an die Rinder, die für viele zum Besuchermagneten geworden sind, gewöhnt.
Aufgrund der positiven Entwicklung und der Akzeptanz in Bevölkerung und Politik wird die Beweidungsfläche um rund 7 Hektar erweitert.
Die Schottischen Hochlandrinder ziehen mit ihren dekorativen Hörnern, die bis zu 1,60 m Spannweite erreichen können, und ihrem langem Fell die Betrachter in ihren Bann. Diese etwa 200 Jahre alte Rinderrasse ist eine der ältesten der Welt und für ihre Gutmütigkeit und Genügsamkeit bekannt. Sie sind robust, anspruchslos, leichtgebärend und langlebig - und können das ganze Jahr über ohne Stall im Freien gehalten werden. Dank ihres Fells sind sie absolut winterfest. Eine Kuh kann bis zu 20 Jahre alt werden und bis zu diesem Zeitpunkt auch Kälber austragen.
Die Kälber werden ohne menschliche Hilfe auf der Weide im Herdenverbund geboren und bleiben bis zur Geschlechtsreife bei der Mutterkuh.
Zugefüttert werden sie nicht, allenfalls im Winter. Drei Jahre bleiben Rinder im Rohrbachtal, bevor sie geschlachtet werden. Das Fleisch der Schottischen Hochlandrinder enthält weniger Cholesterin und weniger Fett als anderes Rindfleisch und zeichnet sich durch sein vorzügliches Aroma und delikaten Eigengeschmack aus. Das Fleisch vermarktet Torsten Becker direkt und auf Wochenmärkten der Region wie z.B. in St. Ingbert.
Durch den Rückzug der Landwirtschaft von Grenzertragsstandorten verschwinden immer mehr landschaftsökologisch wertvolle Lebensräume der offenen Kulturlandschaft. Diese Entwicklung macht auch vor dem Saarland nicht halt. Viele wertvolle Grünlandflächen sind mehr und mehr mit Hecken und Gehölzen zugewachsen und haben ihre Bedeutung als Lebensraum für Pflanzen und Tiere der offenen Landschaft verloren.
Die Schaffung von halboffenen Weidelandschaften durch eine ganzjährige Beweidung mit robusten Weidetieren wie hier im Rohrbachtal hat sich in den letzten Jahrzehnten als erfolgreiches Instrument des Naturschutzes etabliert und als naturschutzfachliche Alternative für eine extensive Flächennutzung bewährt – gerade auch bei nur schwer zugänglichen oder sensiblen Flächen.