Jubiläumstour 45 Jahre Naturlandstiftung Saar

Naturschutz durch Beweidung: Beweidungsprojekt im Rohrbachtal, St. Ingbert

Dienstag, den 15. Februar 2022 um 15.30 Uhr

Die Naturlandstiftung Saar wurde am 06. November 2021 45 Jahre alt. Zur Feier dieses Jubiläums laden wir herzlich ein, die Vielfältigkeit der Naturlandstiftung auf zahlreichen Exkursionen und Touren hautnah zu erleben und zu sehen, was in 45 Jahren Arbeit alles erreicht wurde.

Rund um das Thema Beweidung drehte sich alles am Start der Tour beim Beweidungsprojekt im Rohrbachtal, einer einzigartigen Kooperation der Naturlandstiftung Saar mit dem NABU St. Ingbert e.V., der Mittelstadt St. Ingbert sowie dem Landwirt Torsten Becker.

 

Zu diesem Termin mit dem Vorsitzenden der Naturlandstiftung Saar Umweltminister Reinhold Jost, dem Oberbürgermeister Dr. Ulli Meyer und dem Kurator Roland Krämer folgten zahlreiche Gäste der Einladung an den Wombacher Weiher. Sie erfuhren mehr über die erfolgreiche Bilanz der tierischen Landschaftspfleger, der Schottischen Hochlandrinder, die dort ganzjährig im Naturschutzgebiet weiden. Sie halten die invasiven Arten und die Verbuschung in Schach, die ohne die Beweidung das gesamte Gebiet überwuchern und der heimischen Artenvielfalt keine Chance lassen würden.

 

Drei Jahre bleiben die Rinder im Rohrbachtal, bevor sie geschlachtet werden. Das Fleisch vermarktet Torsten Becker direkt auf den Wochenmärkten der Region. Von der guten Qualität der Wurst aus den Rindern konnten sich die Gäste im Anschluss an die Veranstaltung gleich selbst überzeugen.

 

Einzigartige Kooperation im Beweidungsprojekt Rohrbachtal

Seit 2016 gibt es das Beweidungsprojekt im Rohrbachtal im Naturschutzgebiet „Im Glashüttental/Rohrbachtal“. Entstanden ist es auf Initiative des NABU St Ingbert e.V. in Kooperation mit der Mittelstadt St. Ingbert, der Naturlandstiftung Saar sowie dem Landwirt Edgar Sander.

Zuvor waren jahrelange Bestrebungen von privater, kommunaler und behördlicher Seite, durch eine extensive Ganzjahresbeweidung mit robusten Weidetieren auf einer Teilfläche des Naturschutzgebietes der zunehmenden Verbuschung und damit dem Verschwinden wertvoller Pflanzen- und Tierarten entgegenzuwirken, gescheitert. Invasive Pflanzen wie Kanadische Goldrute, Japanischer Rohrknöterich oder Späte Traubenkirsche breiteten sich aus und drängten die wertgebenden Arten der wertvollen Wiesentypen wie Pfeifengraswiesen und Borstgrasrasen zurück.

Ziel der Beweidung war es, den ursprünglichen Naturschutzzweck, also den Schutz der wertvollen Offenlandbiotope an Feucht- und Nasswiesen, Schilfröhrichten sowie die Vielfalt der wertvollen Pflanzen- und Tierarten nachhaltig zu sichern.

Die Kooperationspartner haben hier rund 20 ha für eine großflächige Ganzjahresbeweidung mit robusten Weidetieren hergerichtet. Jeder Partner hat dazu seinen Beitrag geleistet:

  • Die Mittelstatt St. Ingbert recherchierte die Grundeigentümer und ermittelte, unter welchen Voraussetzungen diese einem Beweidungsprojekt zustimmen.
  • Die Naturlandstiftung Saar regelte in aufwändigen Verhandlungen mit den Eigentümern den Flächenerwerb, die Anpachtung und die letztendliche Zustimmung. Außerdem holte sie die naturschutz- und wasserrechtlichen Genehmigungen für das Projekt beim Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz ein und schuf damit alle Voraussetzungen für die Umsetzung. Außerdem bringt sie ihre Erfahrung aus mehreren Beweidungsprojekten mit ein.
  • Das Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz gewährte auf Antrag der NLS im Rahmen des Landesprogramms zur Förderung von Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege einen Zuschuss von 32.000 EUR für den Flächenerwerb.
  • Die Mittelstadt St. Ingbert finanzierte mit 30.000 EUR die Ersteinrichtung der Infrastruktur – den Erwerb und die Einrichtung des Weidezauns, die Erstpflege in Form einer Entbuschung sowie die Beschilderung.
  • Der Landwirt Edgar Sander verpflichtete sich zur extensiven Ganzjahresbeweidung mit Schottischen Hochlandrindern aus seinem eigenen Bestand unter Beachtung der Auflagen des Ministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz. Er trug eigenverantwortlich alle Verpflichtungen, die sich aus der Tierhaltung und der Beweidung ergeben, u.a. die Instandhaltung des Weidezauns. Er pachtete die Flächen der Naturlandstiftung Saar und der Mittelstadt St. Ingbert. Nach seinem Tod übernahm sein Neffe Torsten Becker diese Verpflichtungen in Gänze.
  • Der NABU St. Ingbert e.V. übernahm das durch das Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz angeordnete Monitoring der Vegetation und der Avifauna, erstellt die vorzulegenden Monitoring-Berichte und unterstützt das Projekt durch Öffentlichkeitsarbeit.

 

Fazit

Bereits nach drei Jahren zeigte sich, dass die „tierischen Landschaftspfleger“ ihrer Aufgabe in vollem Umfang gerecht werden. Sie gestalten die Landschaft hier so, wie es die wilden Huftiere in früheren Zeiten in der Naturlandschaft praktizierten. Sie halten die invasiven Arten und die Verbuschung in Schach, die ohne die Beweidung das gesamte Gebiet überwuchern und der heimischen Artenvielfalt keine Chance lassen würden. Die Verfilzung der Grasnarbe wurde sichtbar reduziert, und die Bestände der FFH-Lebensraumtypen (Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der Europäischen Union) wie Borstgrasrasen und Pfeifengraswiesen haben sich verbessert.

Vorbehalte bei Anwohnern, Hundehaltern, Joggern, Fahrradfahrern und Spaziergängern im Vorfeld waren schnell ausgeräumt: Die Menschen haben sich an die Rinder, die für viele zum Besuchermagneten geworden sind, gewöhnt.

Aufgrund der positiven Entwicklung und der Akzeptanz in Bevölkerung und Politik wird die Beweidungsfläche um rund 7 Hektar erweitert.

 

Die Schottischen Hochlandrinder ziehen mit ihren dekorativen Hörnern, die bis zu 1,60 m Spannweite erreichen können, und ihrem langem Fell die Betrachter in ihren Bann. Diese etwa 200 Jahre alte Rinderrasse ist eine der ältesten der Welt und für ihre Gutmütigkeit und Genügsamkeit bekannt. Sie sind robust, anspruchslos, leichtgebärend und langlebig - und können das ganze Jahr über ohne Stall im Freien gehalten werden. Dank ihres Fells sind sie absolut winterfest. Eine Kuh kann bis zu 20 Jahre alt werden und bis zu diesem Zeitpunkt auch Kälber austragen.

Die Kälber werden ohne menschliche Hilfe auf der Weide im Herdenverbund geboren und bleiben bis zur Geschlechtsreife bei der Mutterkuh.

Zugefüttert werden sie nicht, allenfalls im Winter. Drei Jahre bleiben Rinder im Rohrbachtal, bevor sie geschlachtet werden. Das Fleisch der Schottischen Hochlandrinder enthält weniger Cholesterin und weniger Fett als anderes Rindfleisch und zeichnet sich durch sein vorzügliches Aroma und delikaten Eigengeschmack aus. Das Fleisch vermarktet Torsten Becker direkt und auf Wochenmärkten der Region wie z.B. in St. Ingbert.

 

Warum Großflächige Ganzjahresbeweidung?

Durch den Rückzug der Landwirtschaft von Grenzertragsstandorten verschwinden immer mehr landschaftsökologisch wertvolle Lebensräume der offenen Kulturlandschaft. Diese Entwicklung macht auch vor dem Saarland nicht halt. Viele wertvolle Grünlandflächen sind mehr und mehr mit Hecken und Gehölzen zugewachsen und haben ihre Bedeutung als Lebensraum für Pflanzen und Tiere der offenen Landschaft verloren.

Die Schaffung von halboffenen Weidelandschaften durch eine ganzjährige Beweidung mit robusten Weidetieren wie hier im Rohrbachtal hat sich in den letzten Jahrzehnten als erfolgreiches Instrument des Naturschutzes etabliert und als naturschutzfachliche Alternative für eine extensive Flächennutzung bewährt – gerade auch bei nur schwer zugänglichen oder sensiblen Flächen.

  • Mit diesen extensiven Beweidungssystemen können wertvolle Offenlandbiotope und die Vielfalt der Arten und Lebensräume unserer Kulturlandschaft wieder hergestellt und nachhaltig gesichert werden.
  • Durch die Schaffung von parkartigen Landschaften mit hohem Erholungswert fördern sie darüber hinaus den Tourismus und die Naherholung in strukturschwachen Regionen.
  • Auch die Landwirtschaft profitiert davon, indem sie ein hochwertiges Lebensmittel von artgerecht lebendem Vieh produziert, das direkt mit dem Landschaftsbild und dem Erlebniswert der Region in Beziehung gesetzt werden kann.
  • Extensive Beweidung eröffnet zudem die Möglichkeit, den ländlichen Raum sinnvoll zu entwickeln und ökologische mit ökonomischen Ansprüchen zusammen zu führen. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund des Rückgangs der Haupterwerbslandwirtschaft, der bedingt ist durch die sich ändernden agrar- und marktpolitischen Rahmenbedingungen.

 

Weitere Termine der Tour zu anderen spannenden Themen wie Erneuerbare Energien, die Naturwacht Saarland, Schaffung von Naturräumen durch Bodenentsiegelung, Ökologischer Ausgleich oder Grenzüberschreitender Naturschutz finden Sie hier.

Oberbürgermeister Dr. Ulli Meyer, der Vorsitzende der NLS Umweltminister Reinhold Jost und Kurator Roland Krämer freuen sich über den Erfolg des Beweidungsprojektes

Oberbürgermeister Dr. Ulli Meyer, der Vorsitzende der NLS Umweltminister Reinhold Jost und Kurator Roland Krämer freuen sich über den Erfolg des Beweidungsprojektes

Landwirt Torsten Becker hat bald mehr Platz für seine Tiere - das Projektgebiet wird um 7 ha erweitert.

Landwirt Torsten Becker hat bald mehr Platz für seine Tiere - das Projektgebiet wird um 7 ha erweitert.

Zahlreiche Besucher folgten der Einladung ins Rohrbachtal.

Zahlreiche Besucher folgten der Einladung ins Rohrbachtal.

Am Termin gab es für die Tiere ausnahmsweise Karotten zu fressen.

Am Termin gab es für die Tiere ausnahmsweise Karotten zu fressen.

Foto: Torsten Becker

Foto: Torsten Becker